Vernetzte Produktion in Echtzeit: Deutsch-schwedisches Testbed geht in die zweite Phase
Das Internet der Dinge verbindet Objekte und Dienstleistungen und revolutioniert damit auch die Fertigungsindustrie. Auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden die Vernetzung der Produktion und die zentrale Überwachung von Fertigungsprozessen immer wichtiger. Big-Data-Lösungen einzuführen, die eine solche Vernetzung ermöglichen, fordert jedoch von KMU Ressourcen und technische Expertise. die diesen nicht immer im eigenen Haus zur Verfügung steht. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT aus Aachen entwickelt deshalb gemeinsam mit Projektpartnern im Rahmen der Initiative »Mittelstand-Digital« Lösungen zur standortübergreifenden Fertigung speziell für KMU.
Im Jahr 2017 entwickelten das Fraunhofer IPT, das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU aus Chemnitz und das schwedische Powertrain Manufacturing for Heavy Vehicles Application Lab (PMH Application Lab) die Idee, das »Swedish-German Testbed for Smart Production« zu errichten: Die Testumgebung, so der Plan, sollte als Plattform dienen, um die vernetzte und standortübergreifende Produktion in Kooperation mit regionalen KMU praktisch zu erproben. Innerhalb einer geeigneten Cloud-Infrastruktur können dort digitale Zwillinge als virtuelle Abbilder realer Werkstücke erzeugt und anhand modellbasierter Datenanalysen zur Verbesserung der Fertigungsprozesse genutzt werden.
Digitale Infrastruktur erfolgreich installiert
In der ersten Phase des Forschungsprojekts errichteten die Partner eine digitale Infrastruktur, die eine Zusammenarbeit über Standorte hinweg erlaubt: Eine sichere Cloud-Umgebung ergänzt nun die bestehenden Netzwerk-Infrastrukturen der Projektpartner. Über einen VPN-Tunnel sind zahlreiche Maschinen und Anlagen bereits in die IT-Umgebung eingebunden, sodass sich Maschinendaten aufnehmen und weiterverarbeiten lassen. Das Fraunhofer IPT hat außerdem gemeinsam mit dem schwedischen Mobilfunknetzausrüster Ericsson eine prototypische 5G-Verbindung errichtet. Mit dem neuen Mobilfunkstandard können selbst große Datenmengen in hoher Geschwindigkeit und mit geringen Latenzen zwischen Sensoren und Cloud- sowie Großrechensystemen bewegt werden.
Dezentrale Analyse und Verarbeitung von Messdaten
Nach dem Aufbau der Infrastruktur geht das gemeinsame Forschungsprojekt nun in die zweite Phase: In Kooperation mit dem Fraunhofer IWU als Teil des »Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Chemnitz« werden Projekte zur standortübergreifenden Analyse und Weiterverwendung der erhobenen Messdaten aus unterschiedlichen Fertigungsprozessen umgesetzt. Gemeinsam mit Partnerunternehmen werden Daten entlang der gesamten Fertigungskette erhoben und nutzbar gemacht: Planungsdaten, ergänzt durch prozessbezogene Kennwerte, gemessene Bauteil- und Maschinenzustände sowie Qualitätsdaten und ermittelte Kosten. Diese Daten dienen nicht nur zur Anreicherung von Simulationsmodellen, sondern verbessern auch die Prognosen der Fertigungsprozesse.
Kontrolle der Fertigungsprozesse durch Big Data
Schwerpunkte in den Projekten legen die Projektpartner auf die digitale Vernetzung der Fertigungsstandorte und die praktische Erprobung von Schlüsseltechnologien wie 5G in der Produktion. So entwickeln Fraunhofer IPT und IWU beispielsweise verschiedene Szenarien für die Analyse und Regelung spanender Fertigungsprozesse. Ziel ist es dabei, digitale Prozess- und Anlagenmodelle zu erhalten und anfallende Daten und Analysen standortübergreifend bereitzustellen. Die Daten werden jedoch nicht nur gesammelt; sie dienen vielmehr dazu, Prognosen für künftige Entwicklungen zu erstellen. Und sie helfen dabei, die Fertigungsprozesse aktiv zu kontrollieren, um einzugreifen, noch bevor Fehler oder Störungen auftreten.
Anwendungen vom Fertigungs-Cockpit bis zur Entscheidungslogik
Zur Datengewinnung werden Sensoren direkt an der Maschine, am Werkzeug oder am Bauteil angebracht. Die aufgezeichneten Fertigungsdaten zum Zustand der Fräsmaschine und des Bauteils werden aufbereitet, in der Cloud gespeichert, analysiert und in einem »Fertigungs-Cockpit« visualisiert. Ein weiterer Anwendungsfall beschäftigt sich mit der Datenübertragung aus einer Werkzeugmaschine mittels einer 5G-Verbindung in die Cloud. Am Beispiel einer roboterbasierten Multi-Technologiezelle entwickeln die Partner zudem eine Entscheidungslogik, die die manuelle Planung ersetzen kann und Prozesse hinsichtlich Eingangs- und Zielgrößen optimal aufeinander abstimmt.
Von den Projektergebnissen können vor allem KMU profitieren, indem für sie die Barrieren bei der Nutzung cloudbasierter Datenhaltungssysteme abgebaut werden. Das Vorhaben wird gefördert durch das »Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz«, das zur Förderinitiative »Mittelstand-Digital« gehört. Mit Mittelstand-Digital unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi die Digitalisierung in kleinen und mittleren Unternehmen.