In der blechverarbeitenden Industrie steigt die Nachfrage an hochfesten Stählen mit engen Fertigungstoleranzen. Grundsätzlich lassen sich Blechbauteile in kalten oder in thermisch unterstützen Umformprozessen herstellen. Der Vorteil thermisch unterstützter Bearbeitungsverfahren liegt in der besseren Formbarkeit des Bauteils. So müssen zur Bearbeitung hochfester Stahlbleche bei lokaler Erwärmung des Bauteils deutlich geringere Prozesskräfte aufgebracht werden als in kalten Umformprozessen. Gleichzeitig lassen sich bei der thermisch unterstützten Bearbeitung glattere Schnittkanten als im Kaltprozess erzielen.
Eine Schwierigkeit beim thermisch unterstützten Scherschneiden und Umformen hochfester Stähle ist die Stabilität der formgebenden Werkzeuge. Durch den Kontakt des formgebenden Werkzeugs, auch Aktivteil genannt, mit dem erwärmten Blech kommt es zu einer erhöhten thermischen Belastung auf das Aktivteil. Die Folgen können Materialanhaftung und Wärmeausdehnung der Werkzeugkomponenten sein, die wiederum zu Qualitätsverlust am Bauteil führen. Gleichzeitig verringert sich dadurch die Standzeit der Werkzeuge und dadurch die Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses. Um ungewollte Verformungseffekte zu kompensieren, werden Kühlkanäle in das Aktivteil integriert. Die Kühlkanäle lassen sich individuell so komplex fertigen, wie es der jeweilige Anwendungsfall verlangt. Diese optimierte Werkzeuglösung besitzt das Potenzial, halbwarme und warme Bearbeitungsprozesse deutlich zu verbessern.
In der konventionellen Werkzeugherstellung werden die Kühlkanäle durch Bohrungen oder andere zerspanende Prozesse in das Bauteil eingebracht. Das Forschungsprojekt »AGAH« setzt hingegen auf einen neuen Ansatz: Das Forschungskonsortium erstellt Umformwerkzeuge mit integrierten Kühlkanälen in einem additiven Verfahren. Dadurch können optimierte Kanalführungen und, falls erforderlich, auch mehrseitige Durchströmungen für eine effektive Kühlung umgesetzt werden.
Dieser Lösungsansatz wird im Projekt »AGAH« auf verschiedene Blechbearbeitungsverfahren angewendet: Während der Projektpartner FGW die Werkzeuge im 3D-Druck herstellt, obliegt dem Fraunhofer IPT die Evaluation der additiven Werkzeuge im laufenden Prozess. Dabei nehmen die Forschenden in den Blick, welchen thermischen und mechanischen Beanspruchungen das Werkzeug standhält, ohne dass es zu Verschleißerscheinungen am Werkzeug oder zu Qualitätsmängeln am Bauteil kommt. Abschließend wird die Werkzeuglösung in hochskaligen Prozessen auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft. So sollen Bearbeitungsprozesse mit geringen Toleranzen qualitativ verbessert und Prozessstreuungen im Produktionshochlauf vermieden werden.
Das Forschungsprojekt »AGAH« wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) als Projekt der Industriellen Fördergemeinschaft (IGF) gefördert.
Förderkennzeichen: IGF Vorhaben 23013 N