Der Werkzeugverschleiß ist ein Kostentreiber in der spanenden Fertigung. Er ist oftmals ein Grund für Qualitätseinbußen des Produkts, umfangreiches Nacharbeiten sowie erhöhten Bauteilausschuss. Während der laufenden Produktion werden deshalb regelmäßig Verschleißmessungen durchgeführt, was die Fertigungszeiten allerdings verlängert.
Gängige Systeme zur Bestimmung des Verschleißzustands von Zerspanwerkzeugen sind Messmikroskope und Lasermessbrücken. Beide haben jedoch einige Schwachstellen: So befinden sich die Mikroskope außerhalb der Werkzeugmaschine, sind in der Anschaffung sehr teuer und bedürfen aufwändiger manueller Bedienung. Lasermessbrücken sind zwar maschinenintegrierbar, bieten jedoch nicht die Möglichkeit, unterschiedliche Verschleißarten zu identifizieren und zu messen. Das Feststellen von Ursachen und Handlungsempfehlungen ist somit nicht möglich. Zudem können gängige Verschleißmaße wie die Verschleißmarkenbreite nicht abgeleitet werden.
Um die beschriebenen verschleißbedingten Konsequenzen zu vermeiden, werden Werkzeuge in der Praxis vorzugsweise zu früh als zu spät ausgewechselt. In einer im Jahr 2020 durchgeführten Umfrage mit Anwendungstechnikern aus Unternehmen der Community der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie wurde die ungenutzte Werkzeuglebensdauer auf über 30 % beziffert.
Ziel des Forschungsprojekts »CAMWear 2.0« war die Entwicklung eines Systems, das den Verschleißzustand der Zerspanungswerkzeuge nahezu in Echtzeit während des Fräsprozesses präzise erfasst und bewertet.
Dazu integrierten die Forscherinnen und Forscher ein Mikroskop in die Fräsmaschine, das während der Bearbeitung, zwischen den einzelnen Bearbeitungsschritten, automatisiert Bilder des Fräswerkzeugs aufnimmt. Inspiriert von medizintechnischen Verfahren entwickelten sie Techniken zur Bildsegmentation, auf deren Basis industrie-typische Bewertungskenngrößen des Werkzeugzustands abgeleitet werden können. Um das empfindliche Mikroskop in der rauen Umgebung der Werkzeugmaschine zu schützen, konstruierten die Forschenden ein widerstandsfähiges Gehäuse mit Sperrluftfunktion, das Kühlschmierstofftropfen von der Kamera fernhält.
Die erfassten Bilder dienen als Trainingsdaten für ein KI-gestütztes Bildverarbeitungsprogramm, das die Partner ebenfalls im Laufe des Projekts entwickelten. Das Programm ist in der Lage, Werkzeugtypen zu klassifizieren, verschlissene Bereiche zu aufzuzeigen und Verschleißmetriken zu berechnen.
Um den vorgelagerten manuellen Aufwand für das Training der Künstlichen Intelligenz zu verringern, nutzten die Forscherinnen und Forscher einen neuen Ansatz: Sie erstellen mithilfe generativer Algorithmen und neuronaler Netzwerke synthetische Bilddaten um dadurch die Datenbasis künstlich zu vergrößern. Zudem werden die realen Bilder mit einfachen Augmentationstechniken, etwa Spiegeln oder Drehen, verändert und vervielfältigt.
Das Kamerasystem und das Bildverarbeitungsprogramm wurden im abschließenden Projektabschnitt unter realen Bedingungen erfolgreich einem Praxistest unterzogen: Die Automatisierung der Bildaufnahme und die Qualität der aufgenommenen Fotos waren sehr gut. Das Kameragehäuse erwies sich als robust genug, um die Mikroskopieeinheit zuverlässig zu schützen. Die KI der Bildverarbeitungssoftware identifizierte sehr zuverlässig und präzise die visuell erfassbaren Verschleißformen.
Die Anwendung wird nun weiter gezielt für den industriellen Einsatz optimiert: Weiteres Ziel ist es, die KI-Modelle weiter zu verfeinern, um Verschleißerscheinungen noch präziser zu identifizieren und zu analysieren. In enger Zusammenarbeit mit spezialisierten Hardwarelieferanten soll die neue KI-Anwendung rasch in die industrielle Praxis überführt werden.
Das Projekt »CAMWear 2.0 – Automatisierte Verschleißmessung und -analyse zur Optimierung der Prozessplanung in der Fräsbearbeitung« wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Förderkennzeichen: 21660 N / 2
Forschungsvereinigung Programmiersprachen für Fertigungseinrichtungen e. V.
Das Projekt »CAMWear 2.0« wird wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Förderkennzeichen: 21660 N / 2