Komplexe Glasoptiken sind in vielen Massenanwendungen unverzichtbar. Sie finden sich in Kameras, Sensorik- und Automatisierungslösungen, der halbleiterbasierten Opto-Elektronik, der Lasertechnik und der Quantentechnologie. Besonders stark wächst die Nachfrage im Bereich der Infrarot-Optiken, die beispielsweise die beispielsweise in Fahrerassistenzsystemen und der Thermografie eingesetzt werden.
Derzeit dominieren Anbieter aus Asien die Produktion von Präzisionsoptiken. In Deutschland kann die hohe Nachfrage nicht bedient werden, da die lokale Optikproduktion zu langsam, teurer und limitiert ist. Zudem geht die gängige Methode der Optikherstellung mittels Schleifen und Polieren mit einem hohen Verlust wertvoller Ressourcen einher.
Das Präzisionsblankpressen (engl. Precision Glass Molding, PGM) ist eine attraktive Alternativmethode zur Herstellung von Präzisionsoptiken aus Glas. Hierbei wird ein erhitzter Glasrohling zwischen zwei Formeinsätzen umgeformt. Im Gegensatz zu den üblichen spanenden Verfahren ist das PGM ressourceneffizient und bietet ein großes Potenzial zur Automatisierung und dementsprechend zur Skalierung der Prozesse. Der isotherme Erwärmungsprozess dauert jedoch aktuell rund 20 Minuten und bietet noch viele Möglichkeiten zur weiteren Effizienzsteigerung.
Im Projekt »EffiMaIR« entwickelt das Fraunhofer IPT gemeinsam mit Partnern eine neue Maschinentechnik, die die Wettbewerbsfähigkeit in der Massenproduktion von Präzisionsoptiken weiter steigert. Die innovative Technik optimiert die Temperaturführung, erhöht den Automatisierungsgrad und führt ein Verfahren zum externen Feinkühlen der Optiken ein. Die Taktzeit der Produktion wird um ca. 50% verkürzt, die verbesserte Temperaturführung senkt die Ausschussrate und den Nachbearbeitungsaufwand erheblich. Die Schadstoffemissionen werden um 96% und die Kosten um 54% reduziert.
Das Forschungsteam demonstriert die neue Technologie am Beispiel von Linsen aus Chalkogenidglas. Dieses Glas, das zu den besonders anspruchsvollen Gläsern zählt, besteht primär aus Germanium, Arsen und Selen und ist in Infrarotanwendungen zu finden. Chalkogenidgläser werden bei geringen Temperaturen im Bereich 200 bis 300 °C umgeformt und reagieren sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen: Bereits Abweichungen von ±1 °C haben messbare Unterschiede im Materialverhalten zur Folge.
In aktuellen Verfahren zur Umformung werden Infrarotlampen zur Strahlungserwärmung genutzt. Diese sind jedoch für Chalkogenidgläser ineffizient. Das neue Konzept setzt auf eine »hybride Umformung«, eine Kombination aus isothermer und nicht-isothermer Prozessführung. Das Forschungsteam kombiniert die Infrarot-Wärmestrahlung mit Konduktion und Konvektion, was eine homogenere Temperaturführung ermöglicht. Mit diesem Mix berücksichtigt das neue Verfahren auch das spezifische Verhalten von Infrarotglas.
Die verbesserte Temperaturhomogenität während der Erwärmungs-, Umform- und Kühlphasen erhöht die Formgenauigkeit der Optiken. Die neue Maschinentechnologie verspricht daher, trotz verkürzter Taktzeit, keine Einbußen in der Formgenauigkeit.
Zur Optimierung der Prozesse bedarf es exakter Modelle und Simulationen, die alle wesentlichen Parameter berücksichtigen und die dabei helfen, die vorteilhaftesten Strategien auszuwählen. Zur Modellierung der Wärmetransportphänomene setzt das Team auf den Einsatz Künstlicher Intelligenz, konkret auf Limited Memory Machine-Learning. Ein Algorithmus, der analytische Regeln und empirische Daten kombiniert, wird in die Maschinensteuerung integriert.
Die mechanische Kraft, die in der Umformphase sukzessive erhöht und auf die Linsen ausgeübt wird, modelliert das Projektteam mithilfe von FEM-Simulationen. Mit diesen bestimmen sie auch simulativ den maximal möglichen Kraftanstieg, ohne dass es zum Glasbruch kommt. Auch die Kühlphase wird mittels FEM-Simulationen neu ausgelegt, um die umgeformten Linsen früher aus den Formeinsätzen zu entnehmen und sie batchweise in einer speziellen Kammer feinzukühlen. Dies ermöglicht eine schnellere Wiederverwendung der Formwerkzeuge und beschleunigt den nächsten Umformvorgang.
Projektträger Jülich
Das Projekt »EffiMaIR« wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des EFRE/JTF-Programms NRW 2021-2027 gefördert.
Förderkennzeichen: EFRE-20800221