Effiziente Blisk-Fertigung durch Übertragung biologischer Prinzipien auf die Prozessplanung
Komplexe Prozessplanungsprozesse und aufwändige Einfahrprozesse: Kostentreiber der BLISK-Fertigung
Blade-Integrated-Disks (Blisks) sind geometrisch komplexe, rotierende Bauteile, die im Verdichter eines Flugzeugtriebwerks zum Einsatz kommen. Die Fertigung dieser sicherheitskritischen Komponenten ist kostenintensiv, da die Fertigungszeiten sehr lang und die Toleranzen äußerst eng sind.
Bei der Prozessplanung werden spezielle Bearbeitungsstrategien, sogenannte »multi-blade strategies« verwendet, die durch rund 50 verschiedene CAM-Parameter definiert sind. Etwa 15 von ihnen haben einen signifikanten Einfluss auf die Prozess- und Bauteilteilqualität, und sie müssen individuell auf die jeweilige Blisk-Geometrie angepasst werden. Beabsichtigen die Prozessplaner nun beispielsweise, für die CAM-Planung jeweils drei unterschiedliche Werte für die 15 Parameter zu testen, ergeben sich über 14 Millionen mögliche Lösungen – ein enormer Rechenaufwand. In der Praxis können CAM-Planer demnach aus Kapazitätsgründen nur einen Bruchteil der möglichen Varianten ausprobieren, und sie müssen die Ergebnisse mit ihrem Erfahrungswissen bewerten.
Anschließend werden sogenannte Einfahrprozesse durchgeführt. Damit ist gemeint, dass infrage kommende Bearbeitungsstrategien und Prozessparameter real auf der Maschine ausprobiert werden. Dabei wird üblicherweise nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip verfahren. Das verursacht mitunter hohe Kosten, weil das Vorgehen zeit- und arbeitsintensiv ist. Bei jedem neuen Blisk-Design wird dieses Vorgehen wiederholt, wobei die Ingenieurinnen und Ingenieure, Technikerinnen und Techniker, abgesehen von ihrem Erfahrungswissen, immer wieder bei Null anfangen.
CAM-Planung und virtuelle Einfahrprozesse auf der Basis digitaler Zwillinge
In der Pilotkette Aviation konnte das Projektteam auf Basis biologisierter Algorithmen und Konzepte eine »Simulations-Testbench«, eine Software zur Erzeugung und Bewertung von digitalen Zwillingen des Bauteils, zur modellbasierten Prozessplanung und -auslegung fertigstellen. Mit der Simulations-Testbench lassen sich deutlich mehr CAM-Parameter virtuell testen und anpassen als bisher, da Prozessvarianten automatisiert durch Variation der CAM-Parameter erzeugt werden. Aus den dabei gesammelten und aufbereiteten Daten entstehen digitale Zwillinge, die dann in einer digitalen Umwelt bewertet werden. Auch der Einfahrprozess lässt sich mithilfe der Simulations-Testbench vereinfachen. Aufwändige reale Tests werden durch ein computergestütztes Vorgehen ersetzt. Das spart nicht nur viel Zeit, es hat zudem den Vorteil, dass einmal erworbenes Wissen in Form aufbereiteter Daten für spätere Prozesse zur Verfügung steht.
Gemeinsam mit dem Fraunhofer IWM entwickelt das Fraunhofer IPT zunächst Prozesssimulationen zur Vorhersage von Bauteilzuständen unter Berücksichtigung des Fertigungsprozesses und des Werkstoffes. Diese Prozesssimulationen zur Erzeugung eines digitalen Zwillings der Blisk werden in die Simulations-Testbench eingebunden. Anschließend wird die Fitness des digitalen Zwillings innerhalb einer digitalen Umwelt bewertet. Dabei werden Prozess- und Bauteilinformationen (z.B. simulierte Profilabweichungen) mit den Anforderungen (z.B. geforderte Profiltoleranzen) verglichen.
Übertragung biologischer Prinzipien auf die Prozessplanung
Das Fraunhofer SCAI entwickelt Algorithmen, mit denen sich biologische Designmerkmale wie »Modularität«, »Hierarchie« und »explorative Prozesse« auf die Prozessplanung übertragen lassen. Das Ziel ist, die Prozessplanung durch die Implementierung der Algorithmen – nach dem Vorbild der Natur – derart flexibel zu gestalten, dass eine beschleunigte Prozessoptimierung möglich ist. Besonders die Einführung neuer Blisk-Designs soll mithilfe dieser Optimierungsalgorithmen in Zukunft deutlich schneller möglich sein, da vorhandenes Wissen über bekannte Blisk-Designs auf neue Blisk-Designs übertragen werden kann.
In praktischen Versuchen konnte das Team mithilfe der Testbench den Aufwand für die Prozessplanung und den Einfahrprozess für die Fräsbearbeitung einer Blade Integrated Disk (Blisk) – einer hochkomplexen Turbomaschinenkomponente – sowie einer Variation des Blisk-Designs deutlich senken.