Die Qualitätsanforderungen in der zerspanenden Industrie sind hoch, vor allem in stark regulierten Branchen wie der Luftfahrt, der Automobilindustrie und der Medizintechnik. In diesen Branchen bearbeiten Fertigungsunternehmen hochfeste Werkstoffe. Fehler im Zerspanungsprozess können schwerwiegende Folgen haben, die von Produktausfällen bis hin zu Sicherheitsproblemen reichen. Strenge Qualitätskontrollen sind daher unerlässlich, aber auch zeitaufwändig und teuer.
Künstliche Intelligenz (KI) bietet hier großes Potenzial für die Verbesserung der Produktionsqualität und -kontrolle: Die automatisierte Überwachung und Analyse von Produktionsprozessen kann die Prüfzeiten und den Kostenaufwand für die Qualitätssicherung erheblich reduzieren und die Genauigkeit der Qualitätsbewertung verbessern.
Im Forschungsprojekt »FL.IN.NRW« entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern eine Lernplattform zum dezentralen Training von prädiktiven KI-Modellen. Als ersten Anwendungsfall untersucht unser Projektteam den komplexen Prozess der Zerspanung: Die Vielzahl an Werkzeug- und Prozessparametern in der Zerspanung ist eine Herausforderung für die Qualitätskontrolle, die sich meist nur durch zeitaufwändige manuelle Prüfungen der Bauteile bewältigen lässt.
Indem wir die Modelle mit Prozessdaten direkt aus der Produktionsmaschine trainieren, kann die KI Qualitätsprobleme während der Zerspanung erkennen: Abweichungen im gewünschten Bauteilprofil aufgrund von Werkzeugverschleiß werden durch Schwankungen in der Spindellast und im Spanndruck erkannt. Das KI-Modell detektiert dieses Werkzeugverhalten sofort als Maßabweichung außerhalb festgelegter Toleranzen. Dadurch können zeitaufwändige Qualitätskontrollen bedarfsgerecht durchgeführt und erheblich reduziert werden, was die Qualitätssicherung und Herstellung effizienter macht.
Bislang setzen Unternehmen bei der Entwicklung ihrer KI-gestützten Qualitätskontrolle auf zentrale Cloud-Dienste, um teure Anfangsinvestitionen für eine lokale digitale Infrastruktur zu vermeiden. Die große Menge an Produktionsdaten, die in der Cloud gespeichert werden, befinden sich jedoch außerhalb der unternehmenseigenen Kontrolle und sind daher größeren Datenschutz- und Datensicherheitsrisiken ausgesetzt. Zudem können die fortlaufenden, serviceabhängigen Gebühren von Cloud-Diensten langfristig zu einem Kostennachteil für die Unternehmen werden.
Das maschinelle Lernverfahren des Federated Learning ermöglicht es kleinen und mittleren Unternehmen, die Vorteile von KI für ihre Qualitätskontrolle zu nutzen und gleichzeitig den Datenschutz und die Datensicherheit ihrer sensiblen Produktionsdaten zu gewährleisten:
Die Daten verbleiben sicher auf lokalen Servern, während sie für das dezentrale, kollaborative Training von noch leistungsstärkeren KI-Modellen verwendet werden können. Über mehrere Unternehmensstandorte hinweg wird das KI-Modell in einem Netzwerk lokaler Geräte und Unternehmensserver trainiert, ohne dass die Fertigungsdaten die lokalen Datenbanken verlassen. Nur die Modellparameter werden an einen zentralen Server gesendet, wo sie aggregiert und zu einem globalen Modell zusammengeführt werden, so dass die Datenhoheit bei den Unternehmen verbleibt.
Unsere Experten untersuchen im Projektverlauf, wie sich die Modellleistung je nach Konfiguration unterscheiden kann und welcher Aggregationsalgorithmus am besten für die spezifischen Anforderungen der Anwendungsfälle geeignet ist.
In einem nächsten Schritt wird das Projektteam den Forschungsansatz generalisieren, um Federated Learning künftig sowohl in der Fertigung anderer Bauteile als auch in gänzlich anderen Produktionsanwendungen wie die optische Messtechnik und die additive Fertigung einsetzen zu können. Dies eröffnet vielversprechende Möglichkeiten, die Prozesseffizienz und Bauteilqualität in diesen Anwendungsbereichen zu steigern.
Das Projekt »FL.IN.NRW« wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des EFRE/JTF-Programms NRW 2021-2027 gefördert.