In der zerspanenden Industrie ist der Werkzeugverschleiß beim Fräsen, Drehen und Bohren ein erheblicher Kostenfaktor: Ein verspäteter Austausch abgenutzter Werkzeuge führt zu Maschinenstillstand, Qualitätsmängeln und Ausschuss und verursacht hohe Kosten.
Um diese Kosten zu reduzieren, werden während der Produktion Zustandsmessungen der Werkzeuge durchgeführt. Die üblichen Verfahren zur Werkzeuginspektion werden gemäß ISO 8688 angewendet, bei der ein Parameter der Verschleißbreite der Flanke über die gesamte Lebensdauer des Werkzeugs gemessen wird. Dieses Verfahren ist allerdings subjektiv und äußerst zeitintensiv. Denn herkömmliche Prüfsysteme werden außerhalb der Maschine installiert und erfordern eine aufwendige manuelle Bedienung, was zu verlängerten Produktionsausfällen führt.
Unternehmen neigen daher dazu, Werkzeuge nach einer festgelegten kumulierten Werkzeugweglänge oder Nutzungsdauer vorzeitig zu ersetzen, um Kosten und Qualitätsprobleme zu vermeiden. Dies verkürzt jedoch die Lebensdauer der Werkzeuge erheblich und verschwendet beträchtliche Ressourcen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, arbeiten wir im Forschungsprojekt »FL4AI« mit unseren Partnern an der automatisierten und objektiven Erfassung des Werkzeugverschleißes direkt in der Maschine. Dabei verfolgen wir das Ziel, den optimalen Zeitpunkt für den Werkzeugwechsel zu bestimmen, um vorzeitige und verspätete Wechsel zu vermeiden.
Bilder von hochauflösenden Kameras, die mit Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert werden, ermöglichen eine automatisierte Zustandsüberwachung. Die KI erkennt Verschleißmuster, markiert relevante Pixel im Bild und verarbeitet diese zur Erstellung von Leistungskennzahlen. Auf diese Weise wird der Verlauf des Schadens erkannt und überwacht – und die Werkzeugbewertung erheblich präziser. Ein solches automatisiertes Überwachungssystem steigert die Effizienz und Nachhaltigkeit von Produktionsprozessen.
Bisher nutzten Unternehmen für ihre KI-gestützte Qualitätskontrolle zentrale Cloud-Dienste, um hohe Anfangsinvestitionen in lokale Infrastruktur zu vermeiden. Dadurch sind allerdings große Mengen an sensiblen Produktionsdaten außerhalb ihrer Kontrolle und größeren Datenschutzrisiken ausgesetzt. Zudem können langfristige, serviceabhängige Gebühren zu Kostennachteilen führen.
Federated Learning bietet eine dezentrale Lösung, die es kleinen und mittleren Unternehmen ermöglicht, KI für die Fertigung zu nutzen und gleichzeitig den Datenschutz zu gewährleisten. Die Daten verbleiben auf lokalen Servern und werden für das kollaborative Training leistungsfähigerer KI-Modelle genutzt. Die Unternehmen übertragen lediglich die Modellparameter für wenige Iterationen an einen zentralen Server, wo sie aggregiert und zu einem globalen Modell zusammengeführt werden. Auf diese Weise behalten die Unternehmen die Datenhoheit.
Im Projekt wird eine optimierte Kameratechnologie eingesetzt, um hochauflösende Bilder von Zerspanungswerkzeugen während des Maschinenbetriebs zu erfassen. Das Forschungsteam entwickelt dazu eine maschinenintegrierte Kameratechnik und eine leistungsfähige Schnittstelle zur Bildverarbeitung, die sowohl Rohbilder als auch vorverarbeitete Bilder in das KI-Modell aufnimmt. Diese Programmierschnittstelle ermöglicht eine effiziente Analyse und automatische Identifikation von Verschleißmerkmalen und passt sich flexibel an verschiedene Werkzeugtypen und Zerspanungsprozesse an.
Als Projektergebnis soll ein funktionsfähiger Prototyp entstehen, der Kameratechnologie, Schnittstellenprogrammierung und Federated Learning kombiniert und abschließend in realistischen Produktionsumgebungen umfassend getestet wird.
Das Projekt »FL4AI« wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme »KMU-innovativ: IKT« gefördert.