Für die Fertigung höchst anspruchsvoller Bauteile benötigen Maschinenbediener nach wie vor ein hohes Maß an Wissen und Erfahrung. Gleichzeitig werden Prozesse anspruchsvoller, beispielsweise durch Materialeinsparungen im Leichtbau: Bei dünnwandigen Bauteilen sind Bauteilschwingungen während der Bearbeitung wahrscheinlicher. Das kann wiederum Anomalien im Werkstückhervorrufen und zum Ausschuss des Bauteils führen. Da den Bedienern die Maschinen bisher nur wenige Hilfsmittel bereitstellen, müssen sie sich für die Überwachung und Kontrolle solcher Fertigungsprozesse oft auf ihre Sinneswahrnehmung verlassen. Sie kontrollieren die Stabilität des Prozesses in der Regel über ihren Tast- und Hörsinn, wenn sie beispielsweise die Geräusche der Maschinenschwingungen interpretieren oder die Oberflächengüte der gefertigten Teile durch eingängiges Betrachten des Bauteils beurteilen.
Werden Prozessdaten echtzeitnah erfasst und automatisch ausgewertet, können mittels analytischer sowie datengetriebenen Modelle Zukunftsszenarien abgeleitet werden. Werden diese Daten dem Bediener als intuitiv interpretierbare Informationen bereitgestellt, können prozessbezogene Daten und Assistenzsysteme die Fertigung deutlich vereinfachen. Intelligente Assistenzsysteme, wie sie etwa in der Automobilbranche weit verbreitet sind, bieten das Potenzial eines stabilen Fertigungsprozesses. Sie können die Usability des gesamten Systems steigern und einen unerfahrenen Bediener in die Lage versetzen, die Maschine optimal zu bedienen.
Ziel des Projekts »Glassist« war es, Machine-Learning-Algorithmen mit modernsten Fertigungstechnologien zur intuitiven Visualisierung von Prozesszuständen zusammenzuführen. Dafür entwickelten die Projektpartner ein Assistenzsystem für den Maschinenbediener, welches auf Augmented Reality zurückgreift. Das System stellt prozessbegleitend Informationen wie Handlungsempfehlungen und Rattermarken im Kontext zur aktuellen Werkzeugposition in Relation zum Werkstück bereit und unterstützt so den Maschinenbediener. Dadurch wird die Bedienerfreundlichkeit der Maschine und ihre Prozesstransparenz erhöht und so der Aufwand für spätere Qualitätskontrollen reduziert.
Das Fraunhofer IPT setzte neben der Projektkoordination verschiedene Demonstrationsszenarien um und untersuchte diese anhand der im Projekt definierten Anwendungsfälle: Erkennen von Abweichungen in den Maschinendaten, werkzeugseitigem Rattern, Werkzeugverschleiß, Unwuchten und Kollisionen, bis hin zur prozessabhängigen Korrektur von Regelparametern und zur Überwachung der Genauigkeit optischer Maßstäbe. Dafür wurde Sensorik in beide Werkzeugmaschinen integriert und anschließend mit einer Datenbank vernetzt. Dabei richteten die Forscher ihren Fokus auf die Qualität der aufgezeichneten Referenzdaten, die zeitliche Synchronität, eine tiefgehende Analyse und Labellung der Daten, einen geringen Messaufwand sowie eine intuitive Darstellung (HMI) der qualitätskritischen Informationen für Maschinenbediener.
Dieses Projekt erhielt Förderung durch das Förderprogramm EFRE.NRW im Leitmarkt NeueWerkstoffe.NRW der Europäischen Union.
Förderkennzeichen EFRE-0801511