Wide-Bandgap (WBG)-Halbleiter sind Schlüsseltechnologien für energieeffiziente Konsumgüter und leistungsstarke Elektronik. WBG-Halbleiter können unter höheren Spannungen und Temperaturen arbeiten und sind effizienter als die heute üblichen Siliziumbauelemente. Zudem können durch den Einsatz von WBG-Halbleitern CO₂-Emissionen und Betriebskosten verringert werden.
Üblicherweise werden WBG-Halbleiter durch Verfahren wie die metallorganische chemische Gasphasenabscheidung hergestellt. Dabei wird unter anderem Ammoniak verwendet, das während des Fertigungsprozesses toxische Gase entwickelt und extrem hohe Prozesstemperaturen von mehr als 1000 °C erfordert. Neben der Umweltbelastung führen der hohe Energie- und Gaseinsatz in Verbindung mit begrenztem Durchsatz zu hohen Fertigungskosten.
Im Forschungsprojekt »GREEN EPITAXY« entwickelt das Fraunhofer IPT gemeinsam mit seinen Projektpartnern eine innovative Prozesskette zur Herstellung von WBG-Halbleitern. Ein Kernelement ist die Niedertemperaturepitaxie (NTE): Dabei wird die Prozesstemperatur durch die Verwendung eines intelligenten Plasmas von über 1000 °C auf 300 °C abgesenkt. Der Prozessgas- und Energieeinsatz kann um rund 90% im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren reduziert werden, ohne die Kristallqualität zu beeinträchtigen. Auf toxische Gase kann sogar vollständig verzichtet werden.
Das Ziel des Projekts ist es, die wissenschaftliche Grundlage zu schaffen, um die Niedertemperaturepitaxie als Standardverfahren zur Produktion von Wide-Bandgap-Halbleitern zu etablieren. Das Fraunhofer IPT entwickelt mit seinem Know-how in Kompetenz in den Bereichen der Laser- und Automatisierungstechnik sowie der Glasumformung liefern maßgebliche Bausteine zum Gelingen des Vorhabens über die gesamte Prozesskette hinweg. Die Beiträge des Fraunhofer IPT reichen von der Vorbearbeitung der Wafer mittels Laserstrukturieren über die Automatisierung der Prozesse bis hin zu nachgelagerten Prozessschritten wie der Verkapselung.
Welchen Einfluss hat die Oberflächentopografie des Substrates auf den Beschichtungsvorgang? Dieser Frage geht ein Forschungsteam des Fraunhofer IPT nach, indem es Mikro- und Nanostrukturen mittels Ultrakurzpuls-Laserablation in die Oberfläche des Substrats einbringt. Durch die gezielten Modifikationen der Oberflächenstruktur weisen die Oberflächen anschließend zum Beispiel bestimmte Benetzungs- oder Antireflexeigenschaften auf.
Zusätzlich zur Funktionalisierung bietet die laserbasierte Modifikation der Halbleitermaterialien auf Mikro- und Nanoskala eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten: So kann die Technologie beispielsweise auch zur Kontrolle der Wachstumsbedingungen während der Epitaxie eingesetzt werden. Dies wird ebenfalls im Rahmen des Projekts getestet.
Das Forschungsteam erarbeitet ein Konzept zur Integration einer Strukturierzelle in die In-Line-Epitaxie. Die Herausforderung besteht neben dem Einbringen hochpräzise gefertigten Strukturen im Sub-Mikrometerbereich (~100-250 nm) vor allem darin, die Ergebnisse vom Laboraufbau in eine Systemlösung zur Massenfertigung der Wafersubstrate zu übertragen.
In einem weiteren Arbeitspaket erforscht das Fraunhofer IPT die Möglichkeiten zur Optimierung und Automatisierung der neuen Produktionslinie. Ein Kernelement dieser Forschungsarbeit besteht darin, die Produktionskette vollständig zu automatisieren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, die Produktionszykluszeit signifikant zu verkürzen.
Besondere Herausforderungen innerhalb der Prozesskette sind die Auslegung des Transfersystems, also das Referenzieren der Carrier in den verschiedenen Prozesskammern und vor allem die Handhabungstechnik der Wafer. Das Ziel der Optimierung der Waferhandhabung besteht darin, die Wafer innerhalb kürzester Zeit und ohne Beschädigungen an eine gewünschte Position zu transportieren und präzise ausrichten. Das Konzept des Fraunhofer IPT sieht vor, dass dies in Reinraumumgebung und im Vakuum geschieht, um die Partikelanzahl auf den Wafern so gering wie möglich zu halten.
Ein weiteres Team des Fraunhofer IPT befasst sich damit, neue Ansätze im Bereich der Glasumformung für die microLED-Herstellung zu entwickeln. Das Team setzt dabei auf die Kombination aus replikativer Glasumformung auf Waferlevel und das direkte Bonden der Halbleiter mit den Glaswafern. Mit dem neuen Ansatz können sie Kosten senkt, die Qualität verbessert und Produktionsprozesse verkürzt.
Derzeit wird meist die sogenannte Single Multi-Cavity-Technologie verwendet. Dabei werden einzelne oder nur wenige Glasoptiken gleichzeitig geformt, was zeit- und ressourcenintensiv ist. Mit der Waferlevel-Technologie können komplette Glaswafer in einem einzigen Schritt umgeformt werden. Dadurch steigt die Produktionsgeschwindigkeit erheblich, und die Kosten sinken. Diese Methode kann nicht nur für microLEDs, sondern auch für andere optische Anwendungen in Bereichen wie Sensorik, Telekommunikation oder Medizintechnik genutzt werden.
Statt aufwendiger Verkapselungsmethoden sieht das Konzept des Fraunhofer IPT vor, die microLED-Halbleiter direkt mit einem Glaswafer zu verbinden. Dadurch werden die LEDs effektiv vor äußeren Einflüssen wie Feuchtigkeit und Staub geschützt. Dieser Ansatz verbessert die optische Leistung und die thermische Stabilität der LEDs.
Die Projektergebnisse werden zu einer Roadmap verarbeitet, die interessierten Industrien eine weitreichende Übersicht bietet und als Fahrplan für die mögliche Technologieimplementierung dient. Die Roadmap wird veröffentlicht und soll auch Akteuren aus dem öffentlichen Bereich als Unterstützung für weitere Planungsschritte dienen.
Das Projekt »GREEN EPITAXY« wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung gefördert.
Förderkennzeichen: 03EN4085A
Forschungszentrum Jülich GmbH
1.6.2024 – 30.5.2027
Niedertemperaturepitaxie (NTE) ein Verfahren zur kosten- und umweltschonenden Herstellung hochwertiger Halbleiter. Die NTE kombiniert das physikalische und chemische Gasphasenabscheidung mit Plasmaunterstützung. Dabei werden hauchdünne Kristallschichten auf einem Trägermaterial (Substrat) erzeugt. Trotz einer Prozesstemperatur von lediglich 300 °C (üblich sind bei anderen Verfahren Temperaturen von über 600°C) entstehen einkristalline Halbleiterschichten. Die Energie für das Kristallwachstum wird über ein intelligentes Plasma zugeführt. Die Materialien werden üblicherweise in gasförmigem oder flüssigem Zustand zugeführt und setzen sich als feste Kristallschicht auf dem Substrat ab. Die NTE verzichtet vollständig auf toxische Gase. Eine deutlich bessere Einbaueffizienz lässt den notwendigen Energie- und Gaseinsatz um über 90% gegenüber anderen Verfahren zurückgehen. Ebenso wie der Gas- und Energieeinsatz können die Epitaxiekosten um mehr als 90% reduziert werden.
WBG-Halbleiter wie Gallium-Nitrid (GaN) oder Aluminium-Scandium-Nitrid sind hocheffiziente Transistoren und Schlüsselelemente für (nahezu) verlustfreie Leistungsbauelemente in Serverachitekturen oder in microLEDs für Displays. WGB-Halbleiter verlieren deutlich weniger Energie in Form von Wärme als herkömmliche Halbleiter, was sie hochattraktiv macht für Anwendungen wie Ladegeräte, Solaranlagen und Elektrofahrzeuge. Der flächendeckende Einsatz der effizienten Verbindungshalbleiter anstelle der heute üblichen Silizium-Bauelemente könnten bereits ab 2025 über 13 Mio. Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr und ab 2050 sogar über 35 Mio. Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr eingespart werden.