Anspruchsvolle Optiken für medizinische, optische und mechatronische Anwendungen sowie dünne Abdeckgläser für Displays und Sensoren lassen sich am besten und kostengünstigsten mithilfe der sogenannten Heißformgebung herstellen. Dabei kommen im Wesentlichen zwei Verfahren zum Einsatz: das isotherme Präzisionsblankpressen sowie die nicht-isotherme Glasumformung.
Isothermes Präzisionsblankpressen wie auch nicht-isothermes Blankpressen haben viele Vorteile und Stärken, allerdings ist die Bauteilqualität bei beiden Verfahren extrem abhängig von den Prozessbedingungen: So bleibt etwa der Glaswerkstoff bei sehr hohen Prozesstemperaturen am Formwerkzeug haften, was Produkt und Formwerkzeug schädigt. Bei niedrigen Prozesstemperaturen ist der Verschleiß des Formwerkzeugs zwar geringer, dafür ist die Gefahr von Glasbruch aufgrund von Eigenspannungen im Bauteil deutlich größer. Die Zusammenhänge von Kraft und Temperatur bei der Umformung sind zwar qualitativ bekannt, jedoch gibt es keine geschlossenen analytischen Modelle für eine quantitative Lösung - insbesondere der extremen und kritischen Prozesssituationen. Diese Lücke schließt das Forschungsprojekt »hyPro«.
Das Ziel des Forschungsprojekts »hyPro – Integration hybrider Intelligenz in die Prozesssteuerung von Produktionsanlagen der Glasumformung« ist es, den Prozess der Heißformgebung effizienter zu gestalten, indem die relevantesten Einflussparameter mithilfe einer Modellierungs-Software erfasst und aufbereitet werden. Diese Software wird direkt in die Maschinensteuerung eingebunden und bietet den Maschinennutzern im Fall einer Normabweichung während der Fertigung alternative Bearbeitungsstrategien an.
Das Forschungsteam nutzt für die Optimierung eine sogenannte hybride Modellierung, die aus einem datengetriebenen Machine Learning (ML)-Modell (»Black-Box«) und einem Modell auf Basis von Expertenwissen (»White-Box«) besteht. Der Vorteil dieses hybriden Ansatzes ist, dass die für das ML benötigte Datenmenge geringer ist als bei einem rein digitalen Ansatz, da das Wissen der Forscherinnen und Forscher über die Prozessabläufe und deren physikalischen Gesetze genutzt werden.
Im Verlauf des Projekts wird die Künstliche Intelligenz des Black-Box-Modells mithilfe von Prozessdaten trainiert, die während der Umformung von Glasbauteilen gewonnen werden. Die aufgenommenen Daten der Maschine, Sensoren und Qualitätsmessungen werden als Produktionsdaten gespeichert.
Die »White-Box« wird indes mit verschiedenen physikalischen Modellen, etwa Oberflächenenergiemodelle, Expertenwissen und bekannten Simulationen gefüllt. Aus Black Box und White Box entwickeln die Forscherinnen und Forscher ein hybrides Modell, das einerseits der Optimierung der Produktionsprozesse dient und zudem eine wichtige Ergänzung bestehender Modelle ist.
Das Ergebnis des Projekts wird ein digitaler Assistent in Form eines Software-Tools sein. Diese Software wird direkt in die Prozessregelung der Umformanlage integriert. Dort identifizieret sie automatisiert kritische Prozesssituation und bietet den Maschinenbedienern entsprechende Anpassungen der Fertigungsparameter.
Das Forschungsprojekt »hyPro – Integration hybrider Intelligenz in die Prozesssteuerung von Produktionsanlagen der Glasumformung« wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms KI4KMU gefördert.
Förderkennzeichen: 01IS22053D