Der Einsatz von In-vitro-Geweben in der Wirkstoffentwicklung und der Risikobewertung von Substanzen steigt kontinuierlich an. Besonders in Europa gewinnen sie zunehmend als vielversprechende Alternative zu Tierversuchen an Bedeutung. Zusätzlich werden in-vitro-Gewebe als Bioimplantate, bekannt unter dem Begriff Advanced Therapy Medicinal Products (ATMPs), zur Transplantation genutzt. Trotz ihrer hohen Bedeutung ist die Züchtung solcher Gewebe kostenintensiv – Kosten in Höhe von bis zu 320.000 € können bei der Herstellung anfallen. Eine kontinuierliche und umfassende Qualitätskontrolle dieser Gewebe ist essenziell, um das Risiko für Patientinnen und Patienten zu minimieren. Bisher erfolgt diese Überwachung jedoch meist invasiv oder destruktiv, wodurch das Risiko einer Kontamination oder sogar des Totalverlusts des Gewebes besteht. Zudem handelt es sich oft um Endpunktanalysen, die nur Teilbereiche des Gewebes erfassen, sodass globale Strukturveränderungen unerkannt bleiben.
Das Projekt »INVITROCT« hat sich zum Ziel gesetzt, die Optische Kohärenztomographie (OCT) als nichtinvasives und zerstörungsfreies Werkzeug zur Qualitätskontrolle von In-vitro-Geweben zu etablieren. OCT ist ein optisches Bildgebungsverfahren, das hochaufgelöste Schnittbilder von Gewebe ermöglicht – und das kontaktlos und nichtinvasiv. Aktuell fehlt es jedoch an einer etablierten Methodik, um anhand von OCT-Daten die Qualität von In-vitro-Geweben zu bewerten. Ebenso sind umfangreiche Validierungen notwendig, um zu überprüfen, ob die ermittelten Qualitätsmarker aussagekräftig genug sind. Darüber hinaus wird eine Software benötigt, die diese Methodik praktisch umsetzt und auf breiter Basis anwendbar macht.
Im Rahmen des Projekts werden OCT-Aufnahmen von gesunden und geschädigten Cornea-Modellen (künstliche Hornhaut) erstellt und mit klassischen Methoden wie der Histologie und dem MTT-Test korreliert. Aus diesen Daten sollen Qualitätsmarker, etwa Zellviabilität und Zellschichtdicke, extrahiert und definiert werden. Mit den gewonnenen Korrelationsdaten und Bildverarbeitungsstrategien wird eine OCT-Analysesoftware entwickelt, die schließlich an verschiedenen Anwendungen getestet wird. Um die Übertragbarkeit der Methode zu prüfen, erfolgt die Anwendung an einem Knorpel-ATMP.
Die Etablierung der OCT als kostengünstige und zuverlässige Alternative zu bisherigen Prüfverfahren wird insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) im Bereich der ATMP-Herstellung sowie Auftragslaboren zugutekommen. Mit dem erfolgreichen Abschluss von »INVITROCT« wird eine effizientere, sichere und wirtschaftlichere Qualitätssicherung von in-vitro-Gewebe-basierten Produkten erreicht – von aufwendigen, zerstörenden Methoden hin zu einer digitalen, skalierbaren und kontaktlosen Qualitätsüberwachung.
Das Projekt »INVITROCT« wird durch das Fraunhofer-interne Programm »SME« gefördert.