Dünnglas ist ein zentraler Werkstoff in High-Tech-Anwendungen – von LiDAR-Sensoren über Head-Up-Display-Spiegelsubstraten im Automotive-Bereich bis zu Glasverkapselungen für die Halbleiterfertigung. Glas überzeugt durch Kratzfestigkeit, hohe Transparenz und chemische Beständigkeit. Doch sobald komplexe Geometrien oder Perforationen gefordert sind, stoßen herkömmliche Fertigungsverfahren an ihre Grenzen.
Im Forschungsprojekt »MemForm3D« realisiert und validiert das Fraunhofer IPT ein neuartiges Umformverfahren, das diese Herausforderungen überwindet. Die technologische Innovation basiert auf einer Kombination aus einer nicht-isothermen Prozessführung und einem speziell entwickelten Werkzeugkonzept. Die Technologie wurde vom Fraunhofer IPT patentiert.
Das Ergebnis sind Bauteile mit außergewöhnlicher Konturtreue, minimaler Formabweichung und extrem geringer Oberflächenrauheit. Aufwendige Nachbearbeitungsschritte wie Polieren entfallen aufgrund des Wechsels von Graphit auf alternative Werkzeugwerkstoffe, somit reduziert sich der gesamte Fertigungsaufwand – ein entscheidender Vorteil für die Effizienz und Nachhaltigkeit der Produktion.
Das Herzstück von »MemForm3D« ist eine neuartige Umformvorrichtung, die Dünnglas unter kontrolliertem Überdruck mithilfe einer flexiblen Membran in die gewünschte Form bringt. Die Luft kann bei Bedarf erwärmt werden, sodass eine stabile Prozesskontrolle ermöglicht wird. Das speziell entwickelte Werkzeugkonzept umfasst die genannte flexible Membraneinheit, ein präzises Dichtungssystem, einen Druckluftzugang sowie ein optimiertes Vorheizkonzept für das Formgebungsfluid. Diese Technologie gewährleistet eine gleichmäßige Verformung, verhindert mechanische Belastungen und bewahrt die makellose Oberfläche des Glases.
Dank der nicht-isothermen Prozessführung, die gezielt Temperaturgradienten nutzt, lässt sich der Umformprozess deutlich beschleunigen. Dies reduziert nicht nur die Fertigungszeiten, sondern minimiert auch Ausschuss und Werkzeugverschleiß – ein entscheidender Vorteil für die industrielle Serienproduktion.
Die patentierte Kombination aus Membrantechnologie und vakuumunterstützter Umformung macht die Glasbearbeitung schneller und ressourcenschonender als je zuvor. Da insbesondere im Vergleich zum Pressbiegen, bei dem primär Graphitwerkzeuge genutzt werden, aufwendige Nachbearbeitungsschritte wie Polieren entfallen, sinken die Produktionskosten erheblich. Gleichzeitig wird die Materialeffizienz gesteigert, was die Umweltbelastung reduziert.
Die im Projekt entwickelte Technologie ist nicht nur auf Dünnglas beschränkt, sondern kann auch für andere Glasarten und Geometrien adaptiert werden. Dies eröffnet vielfältige Einsatzmöglichkeiten in der Optik-, Elektronik- und Halbleiterindustrie. Dank ihrer hohen Prozessstabilität und Skalierbarkeit ist »MemForm3D« eine richtungsweisende Lösung für die industrielle Fertigung von Hochpräzisionsglas.
Zusätzlich ermöglicht eine vollständige Erfassung der Prozessdaten die Integration von Künstlicher Intelligenz. Durch datenbasierte Optimierungen können Fertigungsprozesse weiter verbessert und neue Erkenntnisse für die Glasverarbeitung gewonnen werden
Das Forschungsprojekt »MemForm3D« wird durch die Europäische Union und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des EFRE/JTF-Programms NRW 2021-2027 gefördert.
Förderkennzeichen: EFRE-20800481
Projektträger Jülich