Der Bedarf nach höherwertigen Optiken und effizienteren Beleuchtungssystemen führt zur Entwicklung immer komplexerer, optischer Elemente, bei denen häufig refraktive Optiken mit diffraktiven Mikrostrukturen zu Hybridlinsen vereint werden. Hybride Optiksysteme bergen ein hohes Potenzial an Funktionsintegration, Kostenersparnis, Leichtbau und Miniaturisierung, vor allem aber an gesteigerter Abbildungspräzision und Produktqualität.
Die Entwicklung und Auslegung solcher optischen Systeme wird durch leistungsfähige Optik-Design-Berechnungssoftware unterstützt. Allerdings existieren im Gegensatz zur rechnerischen Auslegung noch keine zuverlässigen und wirtschaftlich effizienten Prozessketten, um die komplexen optischen Komponenten herzustellen. Als kostengünstige Alternative zur Strukturierung durch lithographische Verfahren bietet sich die Ultrapräzisionszerspanung mit Diamantwerkzeugen zur Herstellung von Mikrostrukturen mit optischer Oberflächengüte an. Jedoch muss diese zur Mikrostrukturierung von Freiformflächen speziell an die Anforderungen der Maschinentechnik und Prozessführung angepasst werden.
Ziel des Verbundprojekts »ERANET-OPTICALSTRUCT«, das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT), betreut wurde (Förderkennzeichen: 02PG2623), ist daher die erstmalige Bereitstellung einer geschlossenen Prozesskette für die Herstellung kontinuierlicher und mikrostrukturierter Freiformoberflächen für Hybrid-Optiken. Vom Optikdesign innovativer Linsensysteme über die flexible Fertigung von Masterwerkzeugen durch ultrapräzise Diamantzerspanung bis zur Replikation erlaubt dies eine durchgängige Fertigung komplexer hybrider, refrakto-diffraktiver Optikkomponenten auf Freiformoberflächen.
Thematischer Hintergrund
Komplexe optische Komponenten sind wichtige Funktionsbausteine moderner Produkte. Beispiele reichen von miniaturisierten Beleuchtungssystemen aus der Displaytechnik in Mobiltelefonen und Notebooks über Gleitsichtbrillen oder Kontaktlinsen bis hin zu technisch hochanspruchsvollen Beleuchtungseinheiten mit LED-Technik aus dem Automobilbau.
Klassisch basieren optische Systeme auf dem Prinzip der Lichtbrechung (Refraktion). Das Licht wird von Linsen durch unterschiedliche Brechungsindizes des Linsenmaterials und der umgebenden Medien entlang kontinuierlicher Flächen gebrochen und abgelenkt. Anders als bei refraktiven Optiken wird bei diffraktiven optischen Systemen das Licht an Mikrostrukturelementen in der Größenordnung der verwendeten Wellenlänge durch Beugungseffekte abgelenkt.
Erste Anwendungen von Hybridoptiken sind bereits in High-End-Kameraobjektiven zu finden. In herkömmlichen Kameraobjektiven dienen Kombinationen von Einzellinsen (Achromat) zur Korrektur der chromatischen Aberration. Zusätzliche Korrekturlinsen erhöhen die Linsenanzahl, den Bauraum sowie das Gewicht und wirken sich negativ auf die Abbildungsgenauigkeit aus. Dieser Nachteil lässt sich durch den Einsatz von Hybridlinsen ausgleichen. Hier übernimmt eine diffraktive Struktur auf der Rückseite der refraktiv wirkenden Linse die farbkorrigierende Wirkung der Achromaten aus herkömmlichen Objektiven. So konnte durch die Funktionsintegration die Baulänge und das Gewicht des Objektivs um über ein Drittel reduziert werden.
Neben der Funktionsintegration steht die Gewichtsreduktion besonders bei Brillenoptiken im Vordergrund. Brillengläser mit hohen Dioptrienwerten haben durch die notwendigen Linsendicken ein hohes Gewicht. Die Ausführung als Hybridoptik birgt auch hier deutliche Vorteile. In Kombination mit einer Freiformfläche, wie sie bei Gleitsichtbrillengläsern erforderlich ist, bieten hybride Brillenoptiken allerdings noch große fertigungstechnische Herausforderungen.
Weitere Anwendungsfelder mit großem Potenzial für diffraktive optische Mikrostrukturen liegen im Bereich der Beleuchtungstechnik. Als Nachfolger der Glühlampe gewinnen Leuchtdioden (LED) dank einer bis zu fünffach höheren Gesamtlichtausbeute [lm/W] immer mehr an Bedeutung. In Verbindung mit innovativem, optischem Design werden LED-Systeme für Beleuchtungstechniken zur Gebäudebeleuchtung, im Automobilbau oder in der Displaytechnik eingesetzt. Die Hauptaufgabe entsprechender Beleuchtungsoptiken ist es, die Punktlichtquelle einer Hochleistungs-LED in einen planaren Leuchtkörper mit einer möglichst großen Auskoppelfläche umzuwandeln. Durch die zielgerichtete Auskopplung werden Störungen des Umfelds einer Lichtquelle, die sogenannte »Light Pollution«, reduziert. Die intelligente Lichtstrahllenkung erlaubt es, exakt die Bereiche zu beleuchten, die eine Ausleuchtung erfordern. So wird die Lichtenergie zielgerichtet eingesetzt und eine hohe Energieeffizienz erreicht.
Die charakteristische Punktlichtquelle der LED wird durch spezielle Lichtleitfolien mit Mikrostrukturierung in eine planare Lichtquelle überführt. Die Mikrostrukturen bestehen dabei häufig aus V-förmigen Nut-Strukturen, so genannten V-Nuten, oder »geblazeten« Strukturen in Sägezahnform. Klassische Fertigungsverfahren für Strukturen mit diesen Abmessungen sind lithographische Verfahren. Allerdings gelingt es dabei nur schwer, schräge Flächen in sehr hoher, für Optiken geeigneter Qualität herzustellen, da diese verfahrensbedingt meist durch Stufen angeglichen werden.
Im Gegensatz zu bestehenden fertigungstechnischen Ansätzen birgt die Ultrapräzisionszerspanung mit monokristallinen Diamantwerkzeugen das höchste Potenzial, Abformwerkzeuge mit ultrapräziser makroskopischer Geometrie (refraktiv) und mikroskopischer Struktur (diffraktiv) für die Replikation kostengünstig und hochflexibel mit nur einer Technologie herzustellen. Das Verfahren und die verfügbare Maschinentechnik sind jedoch heute noch nicht ausreichend entwickelt, um industriell eingesetzt zu werden. Hohe Anforderungen an die Prozesstechnologie ergeben sich aus den für die Funktion diffraktiver Optiken erforderlichen Mikrostrukturen (< 5 µm). Diese müssen mit extremer Präzision auf komplexen Freiformgeometrien mit optischer Oberflächengüte (10 nm Ra) eingebracht werden. Nur durch eine intensive Erforschung und Weiterentwicklung bestehender Ansätze der Ultrapräzisionszerspanung, bei einer ganzheitlichen Betrachtung der erforderlichen technologischen Schnittstellen, lassen sich die beschriebenen Herausforderungen bewältigen.
Hier bietet die Ultrapräzisionszerspanung mit monokristallinen Diamantwerkzeugen eine Chance, Strukturen mit schrägen Nutflanken und hoher Oberflächenqualität herzustellen. Auf einer konventionellen Ultrapräzisionsdrehmaschine können diese Strukturen als konzentrische Ringe oder anhand eines Fast-Tool-Servo-Systems (FTS) auch als unterbrochene Nutstrukturen mit variierenden Nutlängen und Abständen, gefertigt werden. Die Abmessungen der einzelnen Nuten liegen im einstelligen Mikrometerbereich. Durch den Einsatz von FTS-Systemen sind die Strukturen nahezu frei programmierbar und das Verfahren bietet eine hohe Flexibilität bei gleichzeitig geringen Kosten.
Die Diamantzerspanung wurde in den vergangenen Jahren für die Fertigung spiegelnder Metalloptiken mit kontinuierlichen Flächen und Freiformflächen optimiert und untersucht. Für die Herstellung von Mikrostrukturen gelten allerdings andere, deutlich komplexere Anforderungen.
Ziel
Im Verbundprojekt »ERANET-OPTICALSTRUCT« wurden, ausgehend von bestehenden Ansätzen der Ultrapräzisionszerspanung, neue Möglichkeiten der Mikrostrukturierung von Freiformflächen erforscht und weiterentwickelt.
Übergeordnetes Projektziel war die Bereitstellung einer geschlossenen Prozesskette, die vom Optikdesign innovativer Linsensysteme über die flexible Fertigung von Masterwerkzeugen zur Replikation durch ultrapräzise Diamantzerspanung bis hin zum finalen Produkt eine Fertigung komplexer hybrider, refrakto-diffraktiver Optikkomponenten erlaubt.
Neben deutschen Kooperationspartnern aus Forschung, Kunststoffoptikherstellung, Steuerungstechnik und Ultrapräzisionsmaschinenbau wurde das Projekt durch den Zusammenschluss nationaler Förderprogramme in Europa im Bereich der Mikro- und Nanotechnologie »MNT-Era.net« mit Europäischen Technologieführern aus der Optikentwicklung, Messtechnik, Beschichtungstechnik und Diamantwerkzeugfertigung ergänzt. Die Experten aus den unterschiedlichen Bereichen schafften so einen ganzheitlichen Ansatz zur Überwindung bestehender Beschränkungen in der Herstellung innovativer Hybridoptiken.
Ziel der Forschungsarbeiten war es, unter anderem den ultrapräzisen Diamantdrehprozess als einzig notwendige Fertigungstechnologie für die Herstellung innovativer hybrider Optiken mit refraktiven Makrogeometrien und diffraktiven Mikrostrukturen zu qualifizieren. Auf Basis der Geometrieanforderungen des Optik-Designs wurde die erforderliche Prozesstechnik zur robusten und reproduzierbaren Herstellung von Masterwerkzeugen durch Diamantzerspanung vorangetrieben. Eine Ultrapräzisionsdrehmaschine wurde mit entsprechenden dynamischen Achsen für die Fertigung von Freiformflächen und Mikrostrukturen ausgerüstet und die Steuerung um eine CAD/CAM-Schnittstelle erweitert. Ganzheitlichkeit wurde dadurch erreicht, dass nicht nur die Fertigung optimiert wird, sondern auch die Ergebnisse der Zerspanung im Rückfluss beim Optikdesign berücksichtigt werden. Als abschließender Prozessschritt wurde die Replikation der Optiken betrachtet, denn nach einer erfolgreichen Fertigung der Masterwerkzeuge müssen sich auch die Strukturdetails von wenigen Mikrometern in Kunststoff abformen lassen.
Die Teilziele des Projekts umfassten:
In Ergänzung des Forschungsvorhabens »ERANET-OPTICALSTRUCT« förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Schulungs- und Transferkonzept für die Ultrapräzisionstechnik, das den Teilnehmern prozesskettenumfassendes, anwendungsorientiertes Wissen über die Ultrapräzisionstechnik zur Herstellung komplexer Optiken aus Kunststoff bot. Das Transferkonzept baute auf den aktuellen Ergebnissen des Vorhabens »ERANET-OPTICALSTRUCT« auf und bot ein neues Instrument zur Wei terbildung.
Das Konzept umfasst als Veranstaltung eine mehrtägige Konferenz, die alle zwei Jahre stattfindet und durch externe Vorträge aus Industrie und Forschung sowie am Fraunhofer IPT durchgeführte Workshops theoretisches und praxisorientiertes Wissen verbindet.
Zusätzlich finden mehrmals jährlich kleinere Workshops zu ausgewählten Themen statt, bei denen der Teilnehmer selbst in die Tätigkeiten eingebunden wird und so Verständnis für die unterschiedlichen Einflüsse in verschiedenen Fertigungsprozessen der Ultrapräzisionstechnik gewinnt.
Die Veranstaltungen werden durch das Zentrum für Präzisions- und Mikrotechnik (ZPM) am Fraunhofer IPT organisiert und durchgeführt. Aktuelle Informationen und Hinweise zu Veranstaltungen sind im Internet unter www.ultraprecision.de zu finden.
Kontakte
Projektträger:
Forschungszentrum Karlsruhe GmbH
Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe
Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT)
Herr Scherr
Hermann-von-Helmholtz-Platz 1
76344 Eggenstein-Leopoldshafen
www.produktionsforschung.de
Projektkoordination:
LT Ultra-Precision Technology GmbH
Herr Widemann
Afterholderberg, Wiesenstrasse 9
88634 Herdwangen-Schönach
www.lt-ultra.com
Projektpartner:
Eschenbach Optik GmbH + Co.
Herr Schalle
Andernacher Straße 29 B
90411 Nürnberg
www.eschenbach-optik.de
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT
Herr Matrose
Steinbachstraße 17
52074 Aachen
www.ipt.fraunhofer.de
ModuleWorks
Herr Dr. Stautner
Ritterstraße 12 A
52072 Aachen
www.moduleworks.com
Oy Modines Ltd.
Herr Rinko
Matalasalmenkuja 1
00150 Helsinki
Finnland
www.modines.com
UNIMETRIK/Innovalia
Herr Dr. Trapet, Herr. Dr. Oscar Lázaro
San Blas, 11
01170 Legutiano – Álava
Spanien
www.unimetrik.es
www.innovalia.org
Assoziierte Projektpartner:
Contour Fine Tooling B.V.
Herr Geelen
Geenhovensedreef 22
5552 BD Valkensward
Niederlande
www.contour-diamonds.nl
Kanigen Works Benelux
Herr Decker
Wolfsbergstraat 57
3600 Genk
Belgien
www.kanigen.be
Der Abschlussbericht zum Vorhaben »ERANET-OPTICALSTRUCT« ist erhältlich im Apprimus-Verlag, Aachen.