Die globale Coronakrise hat gezeigt, dass die klassische Fließbandfertigung nicht in der Lage ist, schnell auf eine vorübergehend steigende Nachfrage und auf ein verändertes Kaufverhalten zu reagieren. Gefragt sind deshalb flexiblere Matrixproduktionen, die flexibel selbst kurzfristige Bedarfsänderungen abfangen.
Typisches Merkmal von Matrix-Produktionssystemen sind autarke, frei anfahrbare und logistisch individuell einsetzbare Prozessmodule. Diese Prozessmodule umfassen spezialisierte Technologiestationen, Montagezellen und Prüfstationen. Jedes Prozessmodul ist so konzipiert, dass es einen kompletten Fertigungsschritt ausführen kann. Hintereinander geschaltet ergeben die Prozessmodule der Matrix-Produktion eine Fließbandfertigung, allerdings kann das Produktionssystem jederzeit flexibel um weitere Prozessmodule ergänzt oder vollständig neu zusammengesetzt werden.
Das Ziel des Forschungsprojekts SE.MA.KI war es, den Prototyp eines anwendungsreifen Matrix-Produktionssystems aufzubauen. Die Lösungen, die von den fünf beteiligten Fraunhofer-Instituten erarbeitet wurden, reichten von flexiblen, datenbasierten Prozessplanungsstrategien über die Automatisierung von Logistik- und Montageprozessen bis hin zur Entwicklung adaptiver Software- und Anlagensysteme.
Um die datenbasierte Prozessplanung und -steuerung umzusetzen und die komplexen Prozesszusammenhänge besser zu beherrschen, setzte das Forschungsteam digitale Methoden wie Simulationen und Künstliche Intelligenz (KI) ein. Dazu entwickelte das Fraunhofer IPT leistungsstarke, KI-gestützte Simulationswerkzeuge weiter und stellte eine Simulationssoftware zur Prozesskettenplanung bereit. Diese simuliert die Prozess- und Maschinenauswahl auf Basis von Produkteigenschaften, Prozessparametern und verfügbaren Maschinen- und Personalkapazitäten. Dem Bediener werden verschiedene Prozessketten vorgeschlagen, nutzerfreundlich aufbereitet und visualisiert. Das Prozessplanungstool kann flexibel an beliebige Maschinenparks und Prozesse angepasst werden und ist für produzierende Industrieunternehmen als Softwarepaket verfügbar.
Das Fraunhofer IPT integrierte in einer Roboterzelle das drahtbasierte Laserauftragschweißen (LMD-w) als Demonstrator eines additiven Fertigungsverfahrens in das Matrix-Produktionssystem. Dazu integrierten die Forscherinnen und Forscher einen eigens entwickelten LMD-w Prozesskopf baulich und steuerungstechnisch in die Roboterzelle des Fraunhofer IPT und nahmen diese anschließend erfolgreich in Betrieb. Zusätzlich zum reinen Fertigungsprozess implementierten sie eine digitalisierte Prozessüberwachung: Kraft- und Temperatursensoren im Prozesskopf nahmen Daten auf und leiteten diese nahezu in Echtzeit an das Softwaretool weiter. Die integrierte KI der Simulationssoftware wurde durch die Daten kontinuierlich auf stabile und kritische Prozessparameter trainiert. Auf diese Weise gelang es dem Fraunhofer IPT, den LMD-w-Prozess deutlich zu stabilisieren. Der Prozesskopf lässt sich für Kunden individuell anpassen und wird als Prototyp angeboten.
Als zweiten Demonstrator für die Matrixproduktion integrierte das Fraunhofer IPT eine Großwickelzelle zur additiven Herstellung großer Faserverbundbauteile in das Fertigungssystem. Im Vergleich zum LMD-w-Prozesskopf, bei dem lediglich eine Komponente integriert werden musste, besteht das Wickeln großer Faserverbundbauteile aus mehreren, miteinander verknüpften Einzelkomponenten. Durch die Anbindung an die Prozessüberwachung und KI können zukünftig individuelle Prototypen realer Bauteile, beispielsweise Wasserstofftanks, als Machbarkeitsstudien und Prototypen hergestellt werden. Die Umsetzung eines individuellen Maschinenkonzepts und der Aufbau einer Anlage sind möglich.
Das Projekt »SE.MA.KI – Selbstlernende Steuerung einer technologieübergreifenden Matrix-Produktion durch simulationsgestützte KI« wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. (Förderkennzeichen L1FHG42421)