Seit Menschengedenken richten wir unseren Blick in den Nachthimmel, um dem Weltall seine Geheimnisse zu entlocken. Das bloße Auge reicht dafür nicht aus, weshalb hochgenaue Teleskope zur Beobachtung benutzt werden. Astronomische Teleskope nutzen eine Reihe von Spiegeln, von denen der bedeutendste der Primärspiegel mit einem Durchmesser von mehreren Metern ist. Dieser Primärspiegel fängt das Licht ferner Sterne und Galaxien ein, bündelt es und leitet es auf den kleineren, konvexen Sekundärspiegel. Der Strahl wird dann zu den Bildgebungsinstrumenten weitergeleitet. Moderne Teleskope verwenden einen adaptiven Sekundärspiegel (ASM), der die Fähigkeit besitzt, seine Form in hoher Geschwindigkeit zu verändern und optische Störungen der Atmosphäre effektiv auszugleichen.
Üblicherweise bestehen die Spiegel aus Glas und werden anschließend mit einer reflektierenden Schicht überzogen. Der Herstellungsprozess umfasst eine langwierige Abfolge von Schleif- und Polierverfahren. Dieses Vorgehen führt nicht nur zu erheblichem Materialverbrauch, sondern macht den empfindlichen Spiegel auch anfällig für Brüche.
In einer gemeinsamen Studie entwickeln Wissenschaftler des niederländischen Forschungsinstituts TNO und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT eine alternative Prozesskette für die nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Herstellung von Spiegelsubstraten für den ASM des UH 2,2-Meter-Teleskops in Kooperation mit der University of Hawaii. Der Sekundärspiegel besitzt einen Durchmesser von 620 mm.
Das Ziel der Studie ist es, die Produktion von immer größeren adaptiven Sekundär- und verformbaren Spiegeln voranzutreiben. Durch die Steigerung der Kosten-, Zeit- und Energieeffizienz sollen diese Fortschritte die astronomische Forschung in neue Dimensionen führen.
Bei dem neuen Verfahren wird das Glas direkt in die gewünschte Kontur gebracht, indem das Verfahren des Schwerkraftbiegens angewendet wird. Das Schwerkraftbiegen ist ein isothermes Umformverfahren, bei dem der flache Glasrohling auf dem Formwerkzeug positioniert wird. Anschließend durchlaufen der Rohling und das Werkzeug gemeinsam ein vorgegebenes Temperaturprofil.
Die direkte Formung des Spiegels in seine endgültige Geometrie reduziert den Bedarf an aufwändiger Nachbearbeitung erheblich und führt zu einer deutlichen Verkürzung der Bearbeitungszeit. Im Vergleich zu den etablierten Herstellungsmethoden kann der neuartige Ansatz eine Spiegelschale dieser Größenordnung innerhalb weniger Tage herstellen, was etwa 3-mal schneller ist als andere Verfahren und die Herstellkosten um den Faktor 3 senkt.
Da auf das Schleifen und Polieren weitgehend verzichtet werden kann, zeichnet sich der Prozess durch seine außergewöhnliche Ressourceneffizienz aus: Die innovative Technik sorgt für eine mehr als 70-prozentige Materialeinsparung. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass auch vergleichsweise dicke Gläser mit einer Stärke von bis zu 3,5 mm bearbeitet werden können. Dies erleichtert nicht nur die Handhabung des Bauteils, sondern verringert auch das Risiko von Glasbruch.
Das Fraunhofer IPT entwickelte die Prozesskette zur Umformung des ASM-Spiegelsubstrats. Dabei wurde die Umformung vorab simuliert, um Fehler zu minimieren. Die Forscher nutzten die Finite-Elemente-Methode (FEM), um die optimale Umformtemperatur zu bestimmen und das Schrumpfungsverhalten des Glases während der Abkühlung vorherzusagen.
Zusätzlich wird die simulative Analyse genutzt, um zu bestimmen, wie das Formwerkzeug konzipiert sein muss, um die nötige geometrische Präzision bei der Umformung sicherzustellen.
Im nächsten Schritt wurden die Simulationsergebnisse durch praktische Versuche validiert. Dazu wurde ein Formwerkzeug hergestellt und Spiegelsubstrate gefertigt. Aufgrund der Dimensionen des Spiegels wurde ein entsprechend großes Werkzeug benötigt. Durch die simulative Prozessauslegung und Feinabstimmung der Prozessparameter wurde die gewünschte Genauigkeit zügig erreicht.