Während der Fertigung von Metallbauteilen durchlaufen die Werkstücke Erwärmungs- und Abkühlphasen, in denen sie starken Temperaturschwankungen ausgesetzt sind. Bei der Herstellung von Rohmaterialformen (Halbzeuge) durch Hochtemperaturmethoden wie Gießen oder Schmieden werden an unterschiedlichen Stellen innere Druck- und Zugspannungen, sogenannte Eigenspannungen, in das Halbzeug eingebracht. Durch den nachfolgenden materialabtragenden Bearbeitungsprozess, etwa durch Fräsen oder Schleifen, in dem die gewünschte Endgeometrie des Werkstücks hergestellt wird, werden Teile des Materials entfernt. Die Kräfte aus den inneren Spannungen des verbleibenden Materials geraten durch den Materialabtrag in ein Ungleichgewicht. Die Folge: Die Eigenspannung innerhalb des Bauteils verändert sich, es kommt zu Veränderungen des Werkstoffgefüges und des Bauteilvolumens. Dies führt oft zu Formänderungen des Bauteils, die Verzug genannt werden. Vor allem nach dem Abspannen, wenn die Gegenkraft durch das Spannsystem wegfällt, kommt es häufig zu großen Eigenspannungsverzügen.
Besonders bei großen und dünnwandigen Bauteilen, die im Leichtbau eine wichtige Rolle spielen, treten oft gravierende Eigenspannungsverzüge auf. Um den Verzug zu reduzieren, werden die Halbzeuge deshalb vor der mechanischen Bearbeitung »spannungsarmgeglüht«, also auf so hoher Temperatur gehalten, dass sich die Eigenspannungen im Werkstück deutlich verringern. Eine weitere Möglichkeit ist, die verzogenen Werkstücke nach der mechanischen Bearbeitung zu richten. Dabei wird das Werkstück in die gewünschte Form gebogen. Das Richten ist jedoch ein sehr aufwändiger Prozess und besonders bei komplexen Geometrien nicht immer möglich. Verzüge zu reduzieren oder zu beheben ist immer zeit- und kostenintensiv; nicht selten führen sie am Ende dennoch zum Ausschuss des Werkstücks.
Bauteilverzüge sind keine Randerscheinung, sondern ein relevanter Kostenfaktor: Einer Studie von Boeing zufolge belaufen sich die Nacharbeits- und Ausschusskosten infolge von Bauteilverzug auf mehr als 290 Millionen Dollar pro Jahr. In der Herstellung von Antriebstechnik summieren sich die Kosten zur Behebung von Bauteilverzug allein in Deutschland auf rund 850 Millionen Euro, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Ließe sich das Problem des Bauteilverzuges reduzieren, könnten die Gewinne der Maschinenbaubranche spürbar gesteigert werden.
Ziel im Forschungsprojekt »VoKoES« war es, die Vorhersage und Kompensation von eigenspannungsbedingten Bauteilverzügen während der 5-Achs-Fräsbearbeitung und in der CAM-Programmierung zu verbessern.
Um das Projektziel zu erreichen, wurde das Forschungsvorhaben in vier Module gegliedert:
Zum Schluss wurden die entwickelten Kompensationsmethoden in ein CAM-Modul erfolgreich implementiert und validiert.
Durch »VoKoES« wird die Produktion von Metallwerkstücken wirtschaftlicher, weil die ressourcenschonende und flexible Produktion besonders dünnwandiger Integralbauteile ermöglicht wird.
Das Forschungsprojekt wurde durch Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 2014-2020 gefördert.