CAD/CAM-Systeme für die mehrachsige Fräsbearbeitung legen die Fertigungsoperationen üblicherweise auf Basis geometrischer Randbedingungen aus. Physikalische Einflüsse, etwa die Zerspankraft und in der Spanungszone wirkende Temperaturen, werden nicht berücksichtigt. Zudem werden die Prozesse in der industriellen Praxis erfahrungsbasiert und iterativ ausgelegt.
Diese Vorgehensweise ist ungenau, zeitaufwändig und mit hohen Kosten verbunden. Zudem können durch die mangelnde Berücksichtigung der im Prozess auftretenden Kräfte und Temperaturen Fehlentscheidungen getroffen werden, die zu einem erhöhtem Werkzeugverschleiß oder zu einer Schädigung des Werkstücks führen können. Gefragt ist eine Lösung, die die Stärken geometrischer und physikalischer Modellierungsverfahren zusammenbringt.
Ziel des Forschungsprojekts »FEMmeetsDR« ist es, die Modellierungsansätze der geometrischen Durchdringungsrechnung und der Finiten Elemente Methode (FEM) erfolgreich zu einer physikalischen Prozesssimulation zu verbinden. Um die Prozessauslegung wissensbasiert zu gestalten, soll die virtuelle Fertigungsumgebung der CAM-Planung erweitert werden. Dabei erfolgen die FE-Simulationen vorgelagert. Anschließend erfolgt ein Transfer der FE-Simulationen bzw. deren Ergebnisse mittels der Durchdringungsrechnung auf vom orthogonalen Einzelschnitt auf die Anwendungsebene einer CAM-Prozessauslegung mit mehreren Tausend Werkzeugpfadpunkten und variablen Eingriffsbedingungen.
Durch die Integration der physikalischen Prozesssimulation in das CAM-System zur Werkzeugbahnplanung von 5-Achs-Fräsprozessen wird die Prozessauslegung zeiteffizienter und exakter. Kritische Bearbeitungsstellen können bereits vor der Fertigung identifiziert werden, Prozessanläufe werden verkürzt und Nachbearbeitungsaufwände werden reduziert und so die Bauteilqualität im Kontext des Zielkonflikts zwischen Fertigungskosten und -qualität verbessern.
Das Projektteam erweitert dazu in der ersten Projektphase eine am Fraunhofer IPT entwickelte Simulation zur geometrischen Durchdringungsrechnung dahingehend, dass relevante Eingriffsbedingungen abgebildet und die Spanungsgrößen korrekt erzeugt werden können. Parallel dazu kalibrieren die Projektpartner eine FEM-Simulation, sodass eine FE-Datenbasis auf Basis verschiedener Prozesszustandsgrößen aufgebaut werden kann. Darüber hinaus werden sogenannte Generator-Module entwickelt, mit denen man digitale Werkzeugmodelle erzeugen kann, die in die Prozesssimulationssoftware implementiert werden können.
In der zweiten Projektphase wird die eigentliche Kopplung der Simulationen erarbeitet. Das Projektteam evaluiert und implementiert dazu eine geeignete Schnittstelle, die einen zeiteffizienten Zugriff auf die FE-Datenbasis während der Durchdringungsberechnung ermöglicht. Damit wird es möglich, die im Prozess auftretenden Kräfte sowohl mit empirischen Modellen als auch mit der FEM zu berechnen.
Darüber hinaus wird ein sogenannter Parametrisierungsalgorithmus entwickelt, der die Berechnungen aus der gekoppelten Simulation auf andere Werkzeuggeometrien übertragen kann und damit für weitere Prozesse verfügbar macht.
Die Verifizierung der Methodik erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird eine reine FEM-Modellierung eines Fräswerkzeuges mit der Modellierung mittels gekoppelter FEM-DR Simulation sowie empirischen Messwerten verglichen, um eine Validierung der beiden Modellierungsstrategien zu ermöglichen. Anschließend werden zwei Demonstratorbauteile gefertigt. Ein Demonstrator wird mit einer CAM-Programmierung basierend auf erfahrungsbasierten Prozessparametern gefertigt, der andere auf Basis der in der gekoppelten Simulation optimierten Prozessparameter. Während des Prozesses werden kontinuierlich Zerspankraftkomponenten und Achspositionen aufgezeichnet, um die Kräfte am Demonstrator zu visualisieren, kritische Bereiche zu identifizieren und gleichzeitig die simulative Prozessauslegung im Vergleich zu den gemessenen Kräften zu bewerten.
Das Forschungsprojekt »FEMmeetsDR – Mehrskalenmodellierung des mehrachsigen Fräsprozesses durch Verknüpfung der Finite Elemente Simulation mit der geometrischen Durchdringungsrechnung« wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des Förderprogramms »IGF – industrielle Gemeinschaftsforschung« gefördert.
Förderkennzeichen: 22305N
AiF – Forschungsnetzwerk Mittelstand