Effiziente Kombination von System- und Prozesstechnologien senkt Kosten bei der Bearbeitung von Blechen aus Hochleistungswerkstoffen

Vom Machbarkeitstest bis zur Serienreife

Konventionelle Verfahren zur Blechbearbeitung wie das Scherschneiden oder Umformen stoßen bei Hochleistungswerkstoffen häufig an ihre Grenzen. So sind einwandfreie Schnittkanten bei hochfesten Blechen aus Stahl, Titan oder Aluminium in Transfer- und Folgeverbundwerkzeugen nur schwer zu erreichen. Neue Fertigungstechnologien sind daher gefordert, um den steigenden Produktions- und Qualitätsanforderungen gerecht zu werden. Durch lokales Härten oder Erwärmen lassen sich Funktionsintegrationen, beispielsweise hohe lokale Festigkeit oder umgeformte Strukturen im Bauteil, realisieren. 

Effiziente Blechbearbeitung im Folgeverbundwerkzeug

Das Fraunhofer IPT entwickelte Technologien zur lokalen, thermisch unterstützten Blechbearbeitung (Tailored Heat) in den Fertigungsprozess. Integriert in Transfer- oder Folgeverbundwerkzeuge lassen sich damit hochfeste Bleche vor der Bearbeitung kurzzeitig lokal erwärmen. So können die Werkstoffe in kritischen Bauteilbereichen deutlich besser umgeformt oder geschnitten werden. Konventionelle Maschinen- und Werkzeugtechnologien erzielen mit der thermischen Unterstützung höhere Schnittqualitäten und Umformgrade, herkömmliche Prozessgrenzen können erweitert werden.

Bisherige Forschungsergebnisse zum Scherschneiden zeigen, dass mit der lokalen Erwärmung Glattschnittanteile bis zu 100 Prozent erreicht werden können. Dabei liegen die Schneidkräfte bis zu 70 Prozent unter dem konventionellen kalten Prozess. Bei der Umformung durch Kragenziehen ist eine Verdopplung der Aufweitverhältnisse möglich. Auch beim Biegen, Prägen und Tiefziehen bietet die lokale Lasererwärmung Vorteile: Mit einem hochfesten Federstahl wurden kleinste Biegeradien sowie große Zieh- und Prägetiefen erzielt. Mit geeigneter Temperaturführung für den jeweiligen Werkstoff können auch lokal gehärtete Blechbauteile im Folgeverbundwerkzeug hergestellt werden.

Individuelle Lösungen für die Blechbearbeitung

Das Fraunhofer IPT entwickelt serientaugliche Erwärmungsprozesse für Ihre individuellen Blechbauteile und -werkstoffe. Neben grundlegendem Know-how in der Lasersystemtechnik, Blechbearbeitung und Werkstofftechnik stehen moderne Erwärmungssysteme und Pressentechnik für Machbarkeitstests bis hin zur Nullserienproduktion nach aktuellem Industriestandard zur Verfügung. Metallografische Werkstoffanalysen ergänzen das Leistungsangebot.

Blechkomponenten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure

Ein Anwendungsfall für die Blechbearbeitung ist die Fertigung von Komponenten für Brennstoffzellen und Wasserelektrolyse. Hier kommen blechbasierte Bipolarplatten sowie Streckmetallstrukturen zum Einsatz. Diese werden vor allem in der Elektrolyse in Verbindung mit flachen Bipolarplatten eingesetzt, wodurch sich deutliche Kostenvorteile gegenüber konventionellen porösen Transportschichten erzielen lassen. Das Fraunhofer IPT arbeitet an der effizienten und funktionsgerechten Fertigung der Strukturen. Das flächige Fügen der Streckmetalle wird über ein Mittelfrequenz-Widerstandspressschweißen realisiert.

Erwärmungstechnologien im Überblick

Das Fraunhofer IPT integriert Erwärmungstechnologien in den Fertigungsprozess und entwickelt so konventionelle Bearbeitungsprozesse von Hochleistungswerkstoffen weiter. Genutzt werden dafür komplementäre Erwärmungstechnologien, wie eine elektrische Widerstandserwärmung (Konduktion), Induktion oder die lokale Erwärmung mittels Laserstrahlung.

Konduktion

Die Konduktion beruht auf dem Prinzip der Erwärmung durch elektrischen Widerstand:  Zwischen zwei Elektroden wird das Blech unter gleichmäßigem Kontakt positioniert. Fließt ein elektrischer Strom durch die Elektroden, verursacht der Widerstand des Blechs eine lokale Erwärmung. Mit der Konduktion lassen sich Flächen nahezu jeder Größe in kurzer Zeit erwärmen.

Induktion

Bei der Induktion erwärmt ein Magnetfeld das Blech in einer definierten Eindringtiefe je nach Frequenz unterschiedlich stark. Je nach Anwendungsfall können ein- oder doppelseitige Induktoren zum Einsatz kommen. Die energieeffiziente induktive Erwärmung eignet sich für Bauteilbereiche unterschiedlicher Größe mit  verschiedenen Blechdicken innerhalb kurzer Zykluszeiten. 

Laser

Das Prinzip der lokalen Lasererwärmung basiert auf ein- oder beidseitiger Bestrahlung des Blechs mit hohen Lichtleistungen. Die Laserenergie wird an der Oberfläche des Blechs absorbiert und erwärmt das Blech dadurch. Nahezu jede belieb komplexe Bauteilgeometrie lässt sich mit der hochdynamischen Strahlablenkeinheit erwärmen. Die Lasertechnologie bietet hohe Flexibilität. Durch eine individuelle Steuerungssoftware können Scherschneidgeometrien konturnah erwärmt werden.

Integration modularer Erwärmungssysteme

Die Erwärmungstechnologien lassen sich in modularen Erweiterungssystemen in bestehende Produktionsanlagen integrieren und zeichnen sich durch geringe Investitionskosten und Erwärmungszeiten von wenigen Sekunden aus. Das Fraunhofer IPT entwickelt unter dem Markennamen hy-PRESS modulare System für drei Erwärmungstechnologien Konduktion, Induktion und Laser. Dabei können verschiedene Ausbaustufen unter anderem mit folgenden Merkmalen umgesetzt werden:

  • Integrierte Prozessüberwachung per Kamera
  • Temperaturmessung und -regelung
  • Kompensation von Blechhubbewegungen im Folgeverbundwerkzeug
  • Festoptik- und Scannerlösungen für Lasererwärmung

Prozessstrategien in der Blechbearbeitung

Entsprechend der Zielstellung bei der Bearbeitung der Hochleistungsblechwerkstoffe sind drei spezifische Prozessstrategien für eine effektive Fertigung möglich.

Härten

Im metallischen Blechleichtbau werden immer häufiger Funktionen direkt in das Bauteil integriert, beispielsweise, indem bestimmte Sektionen direkt gehärtet werden. Gegenüber dem Presshärten bietet das lokale Härten beispielsweise die Möglichkeit, energie- und ressourceneffizient zu fertigen, indem die gehärtete Fläche, die Einhärtetiefe sowie die Härte präzise bauteilspezifisch eingestellt werden können.

Thermisches Entfestigen

Die Bearbeitung hoch- und höchstfester Bleche bieten Herausforderungen aufgrund von hohen Prozesskräften, geringen Schnitt- und Umformqualitäten sowie Aktivteilverschleiß. Auch das Induzieren von Kaltverfestigungen beim Scherschnitt führt oft zu Einschränkungen in nach-gelagerten Prozessen (z.B. höhere Kantenrissempfindlichkeit beim Umformen). Hier kann durch das thermische Entfestigen eine verbesserte Bearbeitbarkeit durch ein lokales Herabsetzen der Festigkeit erzielt werden. Die Bauteile weisen so hohe Glattschnittanteile sowie einen verringerten Kanteneinzug oder verbesserte Umformbarkeit auf.

Halbwarm- und Warmbearbeitung

Eine bessere Umformbarkeit wird in der Metall- oder Blechbearbeitung in der Regel durch Warm- und Halbwarmbearbeitungen erreicht. Durch das Eingrenzen der Erwärmungszone auf eine kleine lokale Fläche lassen sich im Werkzeug einzelne Bereiche mit all den Vorteilen einer Halbwarm-/Warmbearbeitung herstellen.

Maschinenpark am Fraunhofer IPT

Hydraulische Stanze

  • Maximalkraft 280 kN
  • Erwärmungstechnologien:
    • Laser: 10 kW, 
    • Induktion: 50 kW,
    • Konduktion: 40 kW

Besondere Merkmale

  • Grundlagenprüfstand zur Blechbearbeitung
  • Hydraulischer Antrieb (Positionierfunktion)
  • Kraft-, Positions- und Temperaturmessung
  • Blechvorschubachse mit Linearmotor
  • Machbarkeitsuntersuchungen und Kleinserienerprobung

 

Servopresse

  • Maximalkraft 2000 kN
  • Hubzahl: bis zu 130 Hübe / min
  • Erwärmungstechnologien:
    • Laser: 6 kW
    • Induktion: 50 kW
    • Konduktion: 40 kW

Besondere Merkmale

  • Automatische Coilanlage
  • Twin-Servo-Antrieb
  • Datenbankanbindung (Verarbeitung von Sensor-, Maschinen- und Werkzeugdaten und KI-Algorithmen) 
  • Untersuchung von Prozessstabilität und Hochvolumenprozessen

Streckmetallanlage

  • Hubzahl: 300-900 Hübe/min
  • Pneumatischer Vorschub
  • Verarbeitbare Blechdicken: 0,1 bis 1,5 mm
  • Maschenweiten: 0,3 bis 8,0 mm
  • Maschenlängen: 0,5 bis 16,0 mm

Besondere Merkmale

  • Verkettete Produktionsmodule
  • Prozessoptimierung und Untersuchung von Hochvolumenproduktion
  • Verarbeitbare Materialien:Titan, Edelstahl, Nickel

Unsere Leistungen im Überblick

  • Machbarkeitsversuche für Ihre individuellen Bauteile und Blechwerkstoffe
  • Ermittlung optimaler Erwärmungsparameter für definierte Bearbeitungsqualitäten
  • Analyse des Einflusses lokaler Erwärmungsprozesse auf die mechanisch-technologischen Bauteileigenschaften
  • Systementwicklung für Lasererwärmung, Induktions- und Konduktionstechnologie
  • Integration der Systeme in bestehende Produktionsanlagen
  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Integration von Erwärmungstechnologien in Blechbearbeitungsprozesse
  • Prozessentwicklung und -demonstration auf einer Servopresse am Fraunhofer IPT
  • Nullserienproduktion mit Betrachtung der Prozessstabilität
  • Systementwicklung für die Streckmetallfertigung

Erwärmungstechnologien

Das Fraunhofer IPT hat für die thermisch unterstützte Blechbearbeitung unterschiedliche lokale Erwärmungsmethoden entwickelt: Neben dem Laserstrahl als Wärmequelle auch die Erwärmung durch Induktion oder Konduktion.

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